Bildungsbereiche der Krippe

1. Emotionale Entwicklung und soziales Lernen

 

Die Fähigkeit, Emotionen zu erleben und zu verstehen, ist für den Menschen von zentraler Bedeutung. Das Verhalten von Eltern, pädagogischen Fachkräften und anderen Kindern gibt dem Kind wichtige Rückmeldungen für die Entwicklung seiner Gefühlswelt. Schon ein Säugling nimmt in der Mimik seines Gegenübers sehr unterschiedliche Reaktionen und Emotionen wahr und lernt Schritt für Schritt zwischen so unterschiedlichen Gefühlen wie Überraschung, Freude, Glück, Ärger, Angst und Wut zu unterscheiden. Erst ab dem dritten Lebensjahr erst nimmt ihre Fähigkeit zur Regulation von Gefühlen zu und vertraute Gegenstände können in ersten Regulationsstrategien eine wichtige Rolle spielen. Die Entfaltung der kindlichen Wahrnehmungsfähigkeiten und das wachsende Selbstempfinden erfolgen im engen Kontakt zwischen dem Kind und seinen Bezugspersonen. Wir tragen eine hohe Verantwortung, dass sich ein Kind als kompetent, wichtig und einflussnehmend erleben kann und ein positives Selbstbild entwickelt.

 

 

 

2. Entwicklung kognitiver Fähigkeiten und der Freude am Lernen

 

Kognition bezeichnet das menschliche Denken in einem umfassenden Sinn, von der Erfahrung über deren Verarbeitung bis hin zu Erkenntnis und Wissen. Zu den kognitiven Fähigkeiten als Grundlage für menschliches Denken zählen unter anderem Aufmerksamkeit, Konzentration, Erinnerung aber auch Kreativität, Planen, Schlussfolgern und die Vorstellungskraft. Der Erwerb kognitiver Fähigkeiten ist ein wichtiger Bestandteil frühkindlicher Entwicklungsaufgaben und Bildungswege. Schritt für Schritt entwickelt ein Kind das Denken als „innerliches Handeln“ und kann sich auch mit Gegenständen, Personen und Situationen auseinandersetzen, die nicht präsent sind. Die kognitive Entwicklung eines Kindes verläuft vom konkreten, handlungsnahen hin zum abstrakten, theoretischen, mehrperspektivischen Denken. Sie ist ein vielschichtiger Reifungs- und Entwicklungsprozess in aktiver Auseinandersetzung mit der natürlichen und sozialen Umwelt. Ausgangspunkt für die kognitive Entwicklung ist die Bindung eines Kindes an seine Bezugspersonen. Je vielfältiger seine Beziehungen zu Erwachsenen und anderen Kindern sind, desto differenzierter können sich seine konkreten Handlungs- und Vorstellungswelten und letztlich auch sein abstraktes Denken entwickeln.

 

 

 

3. Körper - Bewegung – Gesundheit

 

Bewegung ist die Voraussetzung für Bildung, denn Erfahrungen lassen sich nur in einer bewegten Auseinandersetzung mit der Umwelt machen. Das Greifen wird zum Begreifen und Ergreifen, das Fassen zum Befassen und Erfassen. Die Entwicklung von motorischen Fähigkeiten eröffnet immer auch neue Horizonte für Fühlen, Wahrnehmen, Handeln und Denken. Kriechen, Rutschen und Rennen befähigen zur Beherrschung des eigenen Körpers. Die Bedeutung von Begriffen wie „hinein“ und „hinaus“, „hoch“ und „herunter“ erfahren und lernen kleine Kinder in Bewegung. Wie Essen, Trinken und Schlafen ist Bewegung ein Grundbedürfnis und damit Voraussetzung für die körperliche, geistige und seelische Entwicklung eines Kindes und für sein gesundes Aufwachsen. Das Bedürfnis von Kindern nach Bewegung ist über den Tag verteilt sehr unterschiedlich. Jedes Kind braucht sein Maß an Bewegung und muss dieses im Laufe des Tages gemäß seinem individuellen Bedarf ausleben können. Um ihre körperlichen Fähigkeiten in der ganzen Bandbreite zu entfalten, brauchen Kinder einen abwechslungsreichen Bewegungsraum. Wir nutzen daher täglich unser Außengelände und schaffen in unseren Räumen Möglichkeiten zur vielfältigen Bewegung. Auch den Saal im oberen Bereich der Arche 4 (das Gemeindebedarfszentrum in dem wir leben) kann für uns als „Sporthalle“ genutzt werden.

 

 

 

4. Sprache und Sprechen

 

Die Fähigkeit, Sprache zu erwerben, ist Teil der genetischen Veranlagung eines Menschen. Bevor Kinder selbst erste Wörter aussprechen (Sprachfähigkeit), verfügen sie bereits über einen passiven Wortschatz. Sie zeigen durch Mimik und Gestik, dass sie eine Mitteilung oder eine Aufforderung verstehen können (Sprachverständnis). Die Entwicklung der Sprachfähigkeit ist kein linearer Prozess, sondern macht Pausen, die manchmal wie Rückschritte wirken. In welchem Alter ein Kind das erste Wort klar und deutlich sprechen kann, ist von Kind zu Kind verschieden. Die Sprachentwicklung verläuft individuell so unterschiedlich, dass in den ersten drei Lebensjahren nur schwer von einer altersgemäßen Entwicklung gesprochen werden kann. Zuerst kommt das Denken, dann das Verstehen und schließlich das Sprechen. Sprachbildung ist daher eng verzahnt mit allen anderen Lern- und Bildungsprozessen der frühen Kindheit. Sprachbildung beruht auf guten Sprachvorbildern, beziehungsvoller Interaktion und dem kommunikativen Miteinander im Alltag der Kinderkrippe. So wie Kinder mit Gegenständen spielen, spielen sie auch mit ihrer Sprache. Sie experimentieren mit ihrer Stimme, mit Mimik, Gestik und Worten. Sie freuen sich, wenn sie etwas für sie Neues ausdrücken können. Durch die sprachliche Begleitung von Pflege-, Spiel- und Alltagssituationen mit Mimik, Gestik, einfachen Sätzen, das Singen von Liedern, das Vorlesen von Büchern sowie Gespräche über Bilder, Ereignisse aus dem Alltag der Kinderkrippe schaffen wir ständig Sprachanlässe. Auch Reime, Lieder und Fingerspiele unterstützen die Kinder in ihrem Spracherwerb.

 

Für Kinder, in deren Familien kein oder nur wenig Deutsch gesprochen wird, ist die Kinderkrippe ein wichtiger Erfahrungsraum, um in die deutsche Sprache hineinzuwachsen. Gerade in der frühesten Kindheit können Kinder mehrere Sprachen gleichzeitig erwerben. Dies fördert sogar die Flexibilität im sprachlichen Denken eines Kindes und damit auch seine kognitive Entwicklung.

 

 

 

5. Lebenspraktische Kompetenzen

 

Kinder haben den unbedingten Willen, die Welt zu erobern. Sie wollen dabei selbstständig entscheiden und handeln. Sie wollen ihren Alltag selbstbestimmt bewältigen und nicht nur passiv gefüttert, angezogen oder gewaschen werden. Das Erfahrungsfeld Lebenspraxis hat daher für die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern eine hohe Bedeutung, eine Fülle von Lernsituationen ergeben sich im Alltag der Kinderkrippe. Kinder erschließen sich in der Regel ihre lebenspraktischen Kompetenzen im Umgang mit erwachsenen Bezugspersonen und anderen Kindern ganz von selbst. Es beginnt, bestimmte Handlungen spielerisch nachzuahmen oder bekundet sein Interesse an bestimmten Tätigkeiten. Über Nachahmung lernen sie die Ausführung von Alltagshandlungen. Unser Ziel ist es, dem Kind eine Vielzahl von Alltagssituationen zur Förderung der Selbstständigkeit zu bieten. Wie schnell ein Kind dabei ist, ist individuell sehr unterschiedlich. Pflegesituation sind für die Kinder eine Lern- und Übungssituation für lebenspraktische Kompetenzen. Bereits auf dem Wickeltisch können Kinder ausprobieren, wie man Windeln öffnet und sich aus- und wieder anzieht. Das Erfolgserlebnis, etwas alleine geschafft zu haben, ist etwas Besonderes. Beim Anziehen werden nicht nur Bewegungsfertigkeiten geübt, auch andere Dinge sind zu lernen: es gibt rechte und linke Schuhe, Kleidung hat eine Vorder- und Rückseite, Kleidungsverschlüsse müssen auf- und zugemacht werden. Bei der Gestaltung von Bildungssituationen geben wir den Kindern Zeit und Freiräume. Wir begleiten Lernprozesse mit Geduld und Gelassenheit. Wir haben Vertrauen in die wachsenden Fähigkeiten des Kindes und geben ausreichende Gelegenheit zum Ausprobieren.

 

 

 

6. Mathematisches Grundverständnis

 

Die Kinder lernen erste Strukturen und Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und Dinge miteinander in Beziehung zu setzen. Schon Babys bilden Kategorien, erkennen Muster und die Gesamtausdehnung von Gegenständen und können Mengenunterschiede grob abschätzen, wenn sie groß genug sind. Diese Leistung ist eine wichtige Voraussetzung für das Verständnis der Begriffe „mehr“ und „weniger“ und eine wichtige Grundlage für das spätere Rechnen. Das Verständnis für die Zahlen von 1 bis 4 entwickelt sich schon bei Kindern in den ersten drei Lebensjahren. Mathematisches Denken ist damit schon in der frühen Entwicklung eines Kindes fest verankert. Das abstrahierende und folgernde Denken entwickelt sich auf der Grundlage kognitiver Fähigkeiten, Eigenschaften von Objekten zu unterscheiden. Kinder sammeln, sortieren und vergleichen Dinge nach ihren verschiedenen Eigenschaften. Jedes Kind verfolgt sein eigenes Ordnungssystem, das sich an sehr unterschiedlichen Kriterien orientieren kann: Verwendungszweck, Formen, Farben oder auch Gefühlen.

 

 

 

 

7. Ästhetische Bildung

 

Ästhetische Bildung bietet Kindern Chancen, sich in einer kreativen Auseinandersetzung mit ihrem Lebensumfeld zu entwickeln. Sie fördert die Wahrnehmung und Interpretation von Sinneseindrücken. Sie regt dazu an, Mittel des Gestaltens zu nutzen, um kindliche Erfahrungen zu reflektieren, auszudrücken und zu verarbeiten. Bei allen hier erwähnten Formen der ästhetischen Bildung geht es darum, den Schaffensprozess des Kindes und die mit ihm verbundenen Erfahrungen zu unterstützen. Unser Ziel ist, die Kinder dabei zu unterstützen, ihr eigenes ästhetisches Empfinden kennenzulernen, zu verstärken und wahrzunehmen. Wir fördern die Fantasie und Kreativität der Kinder und wertschätzen ihre ersten „Spuren“. Erfahrungsfelder sind z.B. Kneten, Reißen, Schnipseln, Kleben und Kleistern mit Papier, Wasser und Klebstoff.

 

Singen, Tanzen und Musizieren wichtige Ausdrucksformen. Auch kleine Kinder haben ein großes Bedürfnis, mit ihrer Stimme und ihrem Körper musikalisch tätig zu sein. Singen berührt die Seele. Wiederkehrende Morgen-, Spiel-, und Singkreise sind bei kleinen Kindern daher sehr beliebt. Gemeinsames Musizieren stärkt das Wir-Gefühl und vermittelt das Gefühl der Zugehörigkeit zur Gruppe. Begrüßungs- und Abschiedslieder bilden wichtige Rituale, die Sicherheit im Tagesablauf geben. Das wiederholte Singen von Liedern oder rhythmische Sprechen von Reimen fördert den Spracherwerb. Wie die Musik, so ist auch das bildnerische Gestalten ein Erfahrungsfeld, in dem Kinder ihre angeborene Freude am Experimentieren und Gestalten ausleben können. Fingerfarben z.B. eignen sich sehr gut für ein erstes Erkunden, wie sich der Umgang mit Farbe anfühlt und welche Wirkung mit ihr zu erzielen ist. Die Verknüpfung von Gesang und Bewegung macht Kleinstkindern nicht nur Spaß, sondern stärkt auch Atmung und Körperwahrnehmung. Über Singspiele wird ein erstes ganzheitliches Takt- und Rhythmusgefühl gefördert.

 

 

 

8. Natur und Lebenswelt

 

Die Natur ist ein breites Forschungsgebiet, welches vom eigenen Körper bis zum Außengelände und Umfeld der Kinderkrippe reicht. Das Erleben von Tieren mit ihren unterschiedlichen Lauten und Fortbewegungsarten, Erfahrungen mit Wetter oder dem Wandel der Natur im Laufe der Jahreszeiten lösen Staunen und Interesse aus. Auf der Grundlage von Erfahrungen stellen Kinder Vermutungen an, wie sich Gegenstände verhalten. Es werden Theorien zum Verstehen von Natur und Lebenswelt auf der Grundlage neuer Erfahrungen und Experimente immer weiter entwickelt. Für die Erkundung von Natur und Lebenswelt brauchen Kinder unter drei Jahren keine Anleitungen. Kinder wollen ihren Interessen folgen und Erfahrungen machen. Bei Kindern unter drei Jahren verlangt dies eine Lernumgebung, in denen Dinge und Personen überschaubar, aber gleichzeitig auch vielfältig sind. Orte, Zeiten, Bedingungen und zur Verfügung gestellte Materialien sollen Kindern ermöglichen, alle Sinne einzusetzen und selbst aktiv zu werden. Wir möchten den Kindern die Möglichkeit geben, die Natur- und Lebenswelt bewusst zu erleben, mit allen Sinnen kennenzulernen und zu erforschen. Das Erforschen von Spuren, Linien und Kreisbewegungen zeigt sich nicht nur beim Malen und Gestalten. Bei der Erkundung von Natur und Lebenswelt kommt der ganze Körper eines Kindes zum Einsatz.

 

 

 

9. Ethische und Religiöse Fragen - Grunderfahrungen menschlicher Existenz

 

Die Bedeutung von Beziehung und Bindung, die Entwicklung von Persönlichkeit und Individualität und die großen Fragen von Anfang und Ende, Leben und Tod sind Grunderfahrungen menschlicher Existenz.

Schon von klein auf spüren Kinder Glück und Trauer, Geborgenheit und Verlassenheit, Vertrauen und Angst. Dies sind existentielle Erfahrungen, die von kleinen Kindern intensiv erlebt werden. Kinder, die sich fragen, warum Opa gestorben ist oder wieso sich die Eltern getrennt haben, brauchen uns in der Kinderkrippe als einfühlsame Dialogpartner, die sich mit den philosophischen und religiösen Fragen der Kinder auseinandersetzen können. Wir wollen den Kindern Offenheit und Achtung gegenüber anderen Kulturen und Religionen, sowie Bräuchen, Sitten und Festen zu vermitteln. Bei uns begegnen sich Kinder und Erwachsene unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Religion, Offenheit und Achtung werden deshalb von klein auf gelebt. Krippenkinder brauchen Rituale zur Orientierung und Strukturierung ihres Alltags, wir machen deshalb wöchentlich einen „religiösen Kreis“, in dem wir gemeinsam kurze Gebete sprechen oder religiöse Lieder singen. Kinder brauchen die Auseinandersetzung mit diesen Normen und Werten.